Heft 3/1999 - Lektüre



Beldan Sezen, Olumide Popoola (Hg.):

Talking Home

Heimat aus unserer eigenen Feder. Frauen of Color in Deutschland

Amsterdam (blue moon press Verlag, 123 S., DM 20,-) 1999 , S. 81

Text: Hito Steyerl


»I get so bored/ people telling me/ what is art/ they say/ art is art for art`s sake/ when what they mean is white/ white kids exploring expressing what is them. When I express my blackness freely/ it is considered politics (...) I get so bored/ of white standards defining what art is.« (Olumide Popoola)

Die Autorinnen der Anthologie »Talking Home« haben jedenfalls beschlossen, die Parameter der dominanten Kunstauffassung einfach zu überschreiten und sich gar nicht erst beflissen an den Kategorien der Ausgrenzung abzuarbeiten. Die Herausgeberinnen entschieden sich bewusst gegen die Scheidung zwischen »guten« und »schlechten« Texten, was angesichts der Tatsache, dass dies die erste Kompilation von Texten von Queer Women of Color mit deutschem Hintergrund ist, Sinn macht. Welche »Qualitäts«- Kriterien sollen in dieser kulturellen Ödnis denn auch ausgeprägt worden sein, wenn nicht solche, die diese Art von Publikation bislang verhinderten?

Mit »Talking Home« ist eine Sammlung aus Lyrik, Bildern und Texten entstanden, die verschiedene Facetten der Erfahrungen von Queer Women of Color umfasst. Es geht um Alltag, Assimilation und immer wieder um überschüssige oder verfehlte Kommunikationen, Bilder scheiternder Ankunft, multipler Anwesenheiten und rauschender Liebe - Liebe allerdings, die immer wieder von Auslöschung bedroht ist: »Lesben? Die Gibt Es Bei Uns Nicht!« überschreiben Selmin Caliskan und Modjgan Hamzhei ein Kapitel ihres Textes über Lesben of Color. Lesbische Migrantinnen in Deutschland sehen sich sowohl den Homophobien ihrer Communities ausgesetzt als auch einer vorwiegend weißen Lesbenszene, die heftigen Assimilationsdruck ausübt. Lesbischsein wird dort als westlich-progressiv gesehen, Women of Color werden als »unterdrückt« bemitleidet. Eine Vorstellung, der die anderen Beiträge des Buches vielsprachig entgegentreten; durch das Lob der Zunge etwa, die sich zwischen (physischer) Liebe und verschiedenen Sprachen bewegt (Kader Konuk). Mit dieser Vielsprachigkeit, teilweise mit drei Sprachen in einem Text, wird allerdings eine keineswegs kosmopolitische Kompetenz abgefeiert. Barbara Lährmann weist darauf hin, wie wichtig andere Sprachen sein können, um Rassismuserfahrungen zu artikulieren, für die das Deutsche nur ein dumpfes Schweigen parat hat. Englisch funktioniert in diesem Fall als Schutzraum, als distanzierende Versprachlichung des Traumas, als »Mittel der Befreiung von altbekannten, unbenannten Kreisläufen«.

Die alltägliche Tilgung aus Sprache und Bild thematisiert auch Beldan Sezen: Deutschland reduziert das Ich zum »nICHts«. Und: »nichts wird gesehen/ nichts wird gehört/ nichts/ rennt gegen waende/ nichts wird vernichtet«. Sezen verspottet allerdings auch die hauptberuflichen Opfer. Auch dies sei eine Falle: in zugeschriebener Hilflosigkeit zu verharren und Unterdrücktheitswettbewerbe zu veranstalten. Vom »nICHts« zum »Ich«: die Rekonstruktion eines Subjekts ohne Fülle, einer Geschichte gefährdeter Anwesenheit, die Herausforderung des Begriffs der Autorin in einem Land, das eine solche Position für Women of Color nicht vorsieht - deutliche Einsprüche gegen eine seit Jahren grassierende Dekonstruktion von Subjekt und AutorIn, die, sich auf die Ebene des Textes beschränkend, die kulturellen Produktionsverhältnisse unangetastet lässt.