Heft 1/2000


Modernism Revisited

Editorial


Seit einem Jahrzehnt erlebt der westliche Modernismus der ersten Nachkriegsdezennien ein Revival. Im Kunstfeld begann diese Modernismuskonjunktur analytisch: mit einer Wiederbearbeitung der modernismuskritischen Positionen der Sechziger und Siebziger - unter anderen jener von intitutionskritischen KünstlerInnen wie Micheal Asher. Nahezu parallel dazu zeichnete sich durch den Hype Neuer Technologien, durch die rasant wachsende Verfügbarkeit von medienformatierter Erinnerung und den Spielmöglichkeiten mit ihr, eine andere Einspiegelung modernistischer Motive in die Gegenwart ab. Mittlerweile ist »Modernismus« eine fashionable, vermarktbare Desingfloskel des Mainstream geworden: massenmedial konsumierbar gemachte Lebensstilsprache. Die Geschichte, die über solche Kanäle transportiert wird, ist eine imaginierte, nachgestellte. Und sie steht oft im Dienst einer alles andere als emanzipatorischen Modernisierungseuphorie.

Bei all der Universalität, die das globale Stilphänomen Modernismus hatte, waren die Produktionen, aus denen es seine Bildvorräte bezog, dicht in lokale Verhältnisse verwoben. Die Vokabel meinte in verschiedenen Zusammenhängen gänzlich Unterschiedliches. Aktivieren diese Bilder heute - und wenn überhaupt, dann wie - kulturelles Gedächtnis? Oder arbeiten sie mit den medial vermittelten Klischees an dessen Stillegung? In der Nachkriegsarchitektur Hollands war Modernismus vergesellschaftet. Nach deren Sündenfall zum Dienstleister einer sozial segregierenden, privatisierten Immobilienwirtschaft verblendet die neue Developerarchitektur ihre konservative Wende noch immer mit Fassaden voller modernistischer Pathosformeln. Die zu Ruinen verfallenden modernistischen Paläste in Rio hingegen, einst Sinnbild eines zukunftsfrohen Nationalethos, sind zu Mahnmalen enttäuschter Versprechen nach einer emanzipatorischen Modernisierung der Gesellschaft geworden. Solchen und anderen lokalen Konstellationen eines internationalistischen Motivs ist dieses Heft gewidmet.

Die positiven Mythologien des Modernismus und die seiner frühen KritikerInnen treffen sich in einem Bild: dem des leeren Raums; der kontextbefreiten, beschreibbaren Fläche. Dieses Bild erscheint rückblickend als das Symptom einer doppelten Verdrängung. Es blendet das akute Problem der Übersetzbarkeit kultureller Diversität aus.

Hier in Österreich stellt sich gerade eine, nur auf den ersten Blick, ganz andere Frage: Welcher symbolpolitische Handlungsraum bleibt uns?