Heft 3/2000 - Artscribe


Import/Export

23. Juli 2000 bis 10. September 2000
Salzburger Kunstverein / Salzburg

Text: Michael Hauffen


Im Zusammenhang mit der Anerkennung einer Vielzahl von Kulturen, in deren Rahmen sich universale Sichtweisen zu mehr oder weniger praktikablen Vorurteilen relativieren, spielt die Frage nach der Möglichkeit von Austausch eine fundamentale Rolle. Das Begriffspaar Import/Export markiert dabei einen Modus der Beobachtung, mit dem zwar ein wechselseitiger Transfer erfasst, gleichzeitig aber einem vorab definierten System - insbesondere einer existierenden Nationalökonomie - untergeordnet wird.

Die globale Weltgesellschaft setzt demgegenüber wesentlich komplexere Formen von Dynamik frei, für die allerdings allgemein gültige Modelle und Begriffe fehlen - ja vielleicht sogar immer nur temporäre Bedeutung haben können. Der Kunstkontext bietet gute Voraussetzungen für den Umgang mit daraus resultierenden Paradoxien, weil in ihm Probleme der Kontrollierbarkeit dessen, was Medien, Zeichen und Produkte jenseits normaler Oberflächen transportieren, immer schon interessant waren.

Von der Umkodierung, die den einst utopischen Modernismus zum heutigen Konsumklischee verwandelt hat, lässt sich dabei Fransje Killaars leiten. Ihre überdimensionale Hollywood-Schaukel kann als ein kritischer Kommentar zum Mondrian-Kult gelesen werden. Die Vielfalt der patchworkartig verteilten bunten Stoffe und Kissen greift zwar dieEuphorie ungebrochener Farbigkeit auf, unterläuft aber den Gestus individualistischer Radikalität. Dadurch können die verwendeten Materialien und Farben verschiedenste Assoziationsebenen freisetzen, die von den Produktionsbedingungen der Stoffindustrie bis zur Frage nach dem Symbolwert von Buntheit in verschiedenen zeitlichen sozialen Kontexten reichen.

Mit der Bedeutung von Farben im Transfer der Kulturen beschäftigt sich auch Roy Villevoye, der sich durch wiederholte Besuche in Indien und Neu Guinea mit dortigen BewohnerInnen angefreundet hat. Als Symbol für das Medium, über das er seine Eindrücke verarbeitet, verwendet er eine Flagge, die die Farbbestandteile der Druckskala aufweist. Man kann von einem internationalen Farbstandard sprechen, der nun aus einem wandfüllenden Fotoausdruck in Form eines bunten Rechtecks herausleuchtet, auf dem die ansonst bloße Erde gewohnten Freunde des Künstlers stehen. In seiner Kombination aus Analyse globaler Bildmedien und so etwas wie Kommunikation mit den Beinen entfaltet dieses Modell einer Anbahnung transkultureller Beziehungen nicht nur ironische Qualitäten.

Dass neue Kulturen infolge von Migrationsbewegungen entstehen, ohne besonders bemerkt zu werden, führt Jun Yang anhand autobiografischer Dokumente vor. Als Sohn einer chinesischen Familie, die nach Mitteleuropa ausgewandert ist und die mangels Alternativen gezwungen war, ein Chinarestaurant zu führen, hat sich ihm die Welt durch die Optik einer kulturellen Konstruktion gezeigt, in der das wirkliche China hinter der Norm eines Konsumprodukts und seines Mythos verschwindet. Dekorationselemente aus dem Lokal seiner Eltern ergänzen den Berichtüber die Hintergründe eines Alltags, der überwiegend von branchenspezifischen Zwängen geprägt ist.

Michaela Meliàn hebt die Tatsache ins Bewusstsein, dass es vor allem der Export von Waffen ist, der einen offenen Austausch verhindert. Die eindeutigen Gegenstände, nämlich ein Maschinengewehr und ein Kampfpanzer (Leopard II), weisen durch die Form ihrer Präsentation - einmal als überdimensionales Sitzkissen, das andere Mal als zierliche Miniatur mit Seidenüberzug - wiederum eindeutig auf die Beschönigungsfunktion repräsentativer Kunstinszenierungen hin. Letztere versucht Rainer Ganahl ganz auszuschalten, indem er den Raum, den er im Kunstkontext einnimmt, ausschließlich für kritische Leseseminare nutzt, in denen er sich seit der Regierungsbeteiligung der FPÖ auf die Problematik der Auseinandersetzung mit rassistischen Ideologien in ihrer heutigen Form konzentriert. Claude Lévêque stellt in analoger kritischer Intention eine Parallele zwischen Auschwitz und Disneyland her, indem er die jeweiligen Symbole dieser Un-Orte nebeneinander präsentiert.

Dass die Reflexion kulturellen Austausches über die Begriffe Import und Export verschiedenste Ebenen einschließt, darauf lenkt das Kunstsystem fast notwendig den Blick. Spannender wird es, wo die Vieldeutigkeit selbst thematisiert wird. Es mag ja sein, dass wir - worauf Philippe Durand mit der schlichten Fotografie eines Hauses mit Satellitenschüsselüberaus plakativ hinweist - im Besitz von Werkzeugen sind, die eine Kommunikation über nationalstaatliche Grenzen hinweg ermöglichen. Aber dennoch definieren wir uns permanent über Differenzen. Unsere Auffassungen sind nicht a priori kompatibel mit den Auffassungen anderer »Regionen«. So kommt es, dass nie genau das exportiert oder importiert wird, was beabsichtigt war, und dass ungewiss bleibt, was von den losgeschickten Dingen und Zeichen auch wirklich ankommt beziehungsweise wirklich - und von wo? - losgeschickt wurde. Insofern gibt die Ausstellung ein Stichwort, das nicht so bald »erledigt« sein dürfte.