Heft 2/2006 - Lektüre



Rosa Reitsamer, Rupert Weinzierl (Hg.):

Female Consequences

Feminismus, Antirassismus, Popmusik

Wien (Löcker Verlag) 2006 , S. 74

Text: Justin Hoffmann


Es ist nicht selbstverständlich, als männlicher Autor über ein Buch mit feministischer Thematik zu schreiben. Abgesehen davon, dass einer der beiden HerausgeberInnen ebenfalls männlichen Geschlechts ist, hat sich die feministische Perspektive in der Reflexion der Popmusik in den neunziger Jahren durch die Gender-Debatte erweitert, und aus einer binären Konstellation entwickelte sich eine komplexere, in die ich mich mit eingeschlossen betrachte.

Verantwortlich für diese Änderung der Sichtweise war nicht zuletzt Joy Press’ und Simon Reynolds’ Buch »The Sex Revolts. Gender, Rebellion and Rock’n’Roll« (1995), das nicht in erster Linie nach dem Geschlecht von MusikerInnen, sondern nach chauvinistischen und antipatriarchalen Ausdrucksformen in der Popmusik fragte. Auch »Female Consequences« lehnt ein essenzialistisches Verständnis der Kategorie »Frau« ab. Die Erweiterung dieses Readers in Richtung Antirassismus folgt einer linken, emanzipatorischen Tradition, die Sexismus und Rassismus als verwandte Diskriminierungs- und Ausgrenzungspraktiken betrachtet.

Die Intentionen dieser Publikation proklamiert bereits ihr erster Satz: »Dieses Buch stellt eine zentrale Frage, nämlich die nach Praxen und Strategien gegen die Dominanz von weißer Männlichkeit im Feld der Popularkultur.«Die Beiträge des Bandes wurden von Rosa Reitsamer (DJ, Autorin, Kuratorin, unter anderem der Ausstellung »Born to be white«, Mitherausgeberin der ehemaligen Wiener Zeitschrift »Female Sequences«) und Rupert Weinzierl (Autor von »Fight the Power! Eine Geheimgeschichte der Popkultur & die Formierung neuer Substreams«, 2000) zusammengestellt. Das Buch versammelt in deutscher und englischer Sprache Interviews mit Musikerinnen wie etwa Janet Weiss von Sleater-Kinney und analytische Texte zur Popkultur, die von den HerausgeberInnen als Austragungsort kultureller und politischer Kämpfe begriffen wird. Sechs Jahre nach Erscheinen von »Lips Tits Hits Power? Populärkultur und Feminismus« der österreichischen Autorinnen Anette Baldauf und Katharina Weingartner, einer Publikation, die ähnliche Ziele verfolgte, beschreibt »Female Consequences« den aktuellen Stand der Auseinandersetzung. Genau in diesen Zeitraum von sechs Jahren fällt auch die Transformation vom Riot Grrrl zur Lady und die Initiierung der Ladyfest-Bewegung, die mehr ist als ein Reflex auf das Älterwerden der früheren Riot Grrrls. Texte von Christiane Erharter & Elke Zobl sowie von Monika Ankele kommentieren diese Entwicklung – Erstere mehr auf internationaler und Letztere mehr auf lokaler Wiener Ebene. Immer wieder wird in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit betont, unter sich zu bleiben, sowohl in der Rezeption (Women-only-Veranstaltungen) als auch in der Produktion (All-Female-Bands). Gleichzeitig wird auf der Distanz zu essenzialistischen Geschlechterkonzeptionen bestanden – eine Diskrepanz, der sich Ankele in ihrem Aufsatz widmet.

In diesem Zusammenhang wird die Relevanz von All-Female-Bands von einzelnen AutorInnen, aber auch von den zitierten Musikerinnen unterschiedlich bewertet. Während Stephanie Kiessling & Nina Stastny in ihrem Beitrag behaupten, dass sich alle populären All-Female-Formationen feministisch definieren, betont Ankele, dass eine Frauenband noch nicht per se eine feministische Haltung haben muss. Ergänzt sei diese Diskussion durch die Beobachtung, dass, wenn man die Charts-Platzierungen als Maßstab nimmt, die populärsten All-Female-Bands der letzten Jahre Vanila Ninja aus Estland und die wiederformierten The Bangles waren, also Gruppen, die man nicht gerade als explizit feministisch bezeichnen kann. Wobei man insgesamt auch den Rückgang der Bedeutung von Bands zugunsten von Solo-SängerInnen auf dem Popmusikmarkt hätte ansprechen können, was einer Regression auf den Stand der Popmusik der zwanziger bis fünfziger Jahre gleichkommt. In dieser Entwicklung spielen gerade Frauen wie Beyoncé, Mariah Carey, Melanie C und Frauengruppen wie Pussycat Dolls und Sugarbabes eine bedeutende Rolle.

Der Kampf gegen die weiße, männliche Vorherrschaft in der Popkultur, die auch in den letzten Jahren nicht an Gewicht verloren hat, wird, wie der Reader zeigt, auf zwei Ebenen geführt. Erstens in der Repräsentation der oppositionellen Aktivitäten in queeren, migrantischen und feministischen Szenen, zweitens in der Aufdeckung aktueller patriarchaler Strategien. Hat sich durch sie die Repräsentation von Frauen, aber auch von Männern im Mainstream verändert, wurden dabei Grenzlinien verschoben? Dieser Fragestellung geht der Artikel von Anette Baldauf nach, der belegt, wie sich Britney Spears und andere weiße Sängerinnen in ihrer Imagepolitik gezielt als Good Girls von afroamerikanischen Konkurrentinnen abgrenzen, sowie der Beitrag von Rosa Reitsamer, der verschiedene Rollen, die weiße männliche Popmusiker etwa auch der »Hamburger Schule« einnehmen, aufzeigt.

Eine theoretische Legitimation für Fragestellungen dieser Art liefert Angela McRobbies Beitrag »The E’s and the Anti-E’s«, der betont, dass Repräsentation nicht etwa nur der bloße Ausdruck von Realität ist, sondern diese auch mitkonstituiert. Das »E’s« bezieht sich hier übrigens nicht auf Freud, sondern auf die Infragestellung der drei Begriffe »empirical, ethnographic, experiential«.

Die Darstellung oppositioneller Praktiken und das Aufzeigen von Netzwerken nehmen im Vergleich zur Mainstream-Analyse den weitaus größeren Raum der Publikation ein. Das ist verständlich, denn gerade mit diesen Artikeln fungiert das Buch als aktuelle Handlungsanleitung für die eigene Praxis, für die zukünftige musikalische Produktion.