Heft 3/2006 - Artscribe


»Blows into microphone: It is all right? Voice off mike: It’s all right. Pause. h.f«

30. März 2006 bis 29. April 2006
Kunsthalle Exnergasse - WUK / Wien

Text: Dietmar Schwärzler


Wien. Zwölf Fotografien in Schwarz-weiß werden in einer strukturierten Abfolge auf den heißen Ring einer alten Herdplatte gelegt, bis sie jeweils in Rauch aufgehen und verkohlen. Begleitend dazu ein autobiografisch angelegter Kommentar, gesprochen von Michael Snow, der immer schon vom darauf folgenden Bild erzählt, nicht von dem gerade sichtbar verbrennenden. Eine kleine Lektion über die fundamental unterschiedlichen Eigenschaften von Sprache und Bild, über Erinnerungsarbeit oder auch die Asynchronität von Bild und Ton bzw. nicht-lineare Erzählweisen, die im Kunst- und Avantgardefilmbereich eine facettenreiche und lange Tradition vorzuweisen haben. Die Rede ist von dem 1971 entstandenen Film »Nostalgia« (16mm, 36 min) des amerikanischen Filme-/Videomachers, Schriftstellers, Theoretikers und Fotografen Hollis Frampton, der den Kern für die von Achim Lengerer »nicht kuratierte« – so die Einladungskarte kokett – Ausstellung »Blows into microphone …« bildete. Der Film selbst oder andere Werke von Frampton, dessen Initialen HF im nordamerikanischen Raum als Logo firmieren, in Europa allerdings »nur« für einen eingeschränkten Kreis dechiffrierbar sind, bleiben in der Ausstellung allerdings abwesende Anwesende, die erst gegen Ende der Ausstellung im Rahmen eines kleinen, zweiteiligen erweiterten Programms im Votiv-Kino präsentiert wurden. Anstatt auf diskursive oder begleitende Vermittlungsarbeit verlässt sich das label für produktion, welches sich in der Funktion des Herausgebers sieht und zu welchen Lengerer zählt, auf ein kluges, durchlässiges Ausstellungs-Display, welches ein Geflecht aus Bezügen unterschiedlichster Form entwirft. Dabei markieren einzelne Beiträge wie die Radierungen von Vroni Schwegler oder die Malerei von Giovanna Sarti nicht nur ein räumliches Abseits; sie verweigern ein direktes Bezugssystem zur Person oder Arbeit Framptons und erweitern dadurch die Perspektive. Als lose assoziierbar zu Frampton lassen sich die extra für die Ausstellung adaptierte und umgearbeitete Version des analog und ausschließlich in Einzelbildaufnahmen gedrehten Films »Vom Innen; von aussen« von Albert Sackl und die aus einer Schallplatte und projizierten Dias bestehende Installation »The New Terrorism« von Dani Gal bezeichnen. Ersterer verlagert die Perspektive und Vermessung der Koordinaten im filmischen Raum auf seinen eigenen nackten Körper, der zuckt, sich mehrfach um seine eigene Achse dreht, sich vervielfältigt und einzelne seiner Körperfragmente wiederum als Projektionsfläche für diesen Tanz der ständigen Proportionsverschiebungen verwendet. Gal hingegen versucht eine internationale Geschichte des Terrorismus quer durch die Epochen entlang einzelner Konflikte bzw. Ereignisse von der Französischen Revolution, dem Attentat auf Franz Ferdinand über den israelisch-palästinensischen Konflikt, diversen Gang-Schießereien in Teilen der USA bis hin zu einer Vielzahl an Industriellen-Entführungen in Argentinien, Venezuela und Kolumbien zu erzählen. Dabei setzt er Bild und Ton in zufällige Wechselbeziehungen – eine Methodik, die Framptons Arbeit diametral gegenübersteht – und entwirft ein Surrogat aus Geschichte(n) und dessen Mediatisierung. Während Sharon Lockharts Foto mit dem sprechenden Titel »View from Hollis Frampton’s House in Eaton New York« und Renée Green mit ihrem Video »Some chance operations« über Produktion von Geschichte entlang der italienischen Filmemacherin Elvira Notari anhand eines Zitates zur Geschichte der Fotografie in direkter Referenz zur Person Frampton stehen, bezieht sich beispielsweise Lisa Oppenheim in ihrem fein akzentuierten Video »Dioptric« (2003, 10 min), welches auch Frampton gewidmet ist, konkret auf seine Arbeitsweisen. Entlang unterschiedlicher medialer Formate wie Video, 8mm-Film, Fotografie, Home-Movie etc. koppelt sie die Geschichten übers Bildermachen bzw. die Bildbetrachtung auf der Tonspur mit Aufnahmen von einem Sternenhimmel. Dazwischen – ohne Voice-Over-Text – schneidet sie Bilder, die sich entweder gar nicht oder nur äußerst peripher auf das Gesagte zurückführen lassen. Explizite Bezüge weist auch die Soundarbeit von Achim Lengerer auf und das Video von Michael S. Riedel und Dennis Loesch, das einer miserablen Raubkopie gleicht, die sie bei einer »Filmschau 12.11.99 / Frampton, Nostalgia« – so der Titel – herstellten. Mit einer Videokamera von der Leinwand abgefilmt, ohne Ton oder Rücksicht auf die Perspektive bzw. die sich im Bild abzeichnenden Köpfe der ZuschauerInnen, zoomten sie einzelne Details des Films »Nostalgia«, um diesen letztlich unkenntlich bzw. unlesbar zu machen. Mit diesem destruktiven »Kopiervorgang« – der in perfektionierter Form im Fernsehjournalismus bei Kunstbetrachtungen gerne Verwendung findet, allerdings dort oft das umgekehrte Ergebnis hat – erzielen sie einen konstruktiven Mehrwert, der Lengerer in seiner präsentierten künstlerischen Arbeit nicht gelingt. In seiner Soundinstallation lässt er den Schauspieler Steve Gander einen Vortrag Framptons nachsprechen, den dieser 1979 im Whitney Museum of American Art in New York im Rahmen einer siebenteiligen Lecture- und Screening-Serie präsentierte, wobei weder der humorvolle Duktus Framptons noch die zeitbezogene – heute historische – Komponente in der performativen Übersetzung zum Tragen kommt. Darüber hinaus wurde das Transkript im Zuge eines Frampton-Specials im Kunstmagazin »October«, Nr. 109, publiziert, wo es auch seine ideale Entsprechung findet; in der Ausstellung verschwindet das Heft hinter Glas und mutiert zu einem bloßen Kunstdesiderat. Hollis Frampton bleibt in »Blows into microphone…« ein schwer fassbarer, imaginärer Geist. »Etwas« abseits einer Ordnung des Sichtbaren, das aber dennoch das Sehen bzw. die Wahrnehmung ermöglicht und strukturiert: Nicht der Autor oder ein herkömmlicher AutorInnenbegriff wird (her)ausgestellt, sondern die Intermedialität von Arbeitsformen – die das Zitat, die unterschiedlichen Referenzformen oder die Bild-/Toncollage sich aneignen – produktiv gemacht. So bleibt letztlich auch das abschließende Foto im Film »Nostalgia« ein ungesehenes; eines, das lediglich in der Narration skizziert wird: »When I came to print the negative an odd thing struck my eye. Something, standing in the cross-street and invisible to me, was reflected in a factory window and then reflected once more in the rear view mirror attached to the truck door. It was only a tiny detail. Since then, I have enlarged the negative enormously. The grain of the film all but obliterates the features of the image. It is obscure. By any possible reckoning it is hopelessly ambiguous. Nevertheless, what I believe I see recorded in that speck of film fills me with such fear, such utter dread and loathing that I think I shall never dare to make another photograph. Here it is! Look at it! Do you see what I see?«