Heft 4/2007 - Lektüre



David Joselit:

Feedback

Television against Democracy

Cambridge, Mass./London (The MIT Press) 2007 , S. 73

Text: André Rottmann


Mit seiner soeben erschienenen Studie zu Geschichte und Kritik des Fernsehens in den USA zwischen den frühen 1950er und späten 1970er Jahren hat David Joselit sich viel vorgenommen: Die akademische Kunstgeschichte soll in der Auseinandersetzung mit der visuellen Kultur der Nachkriegszeit von ihren an Modellen avantgardistischer Überschreitung oder dialektischer Negation geschulten methodologischen doxa gelöst und dadurch zu einer »politischen Wissenschaft« umgebaut werden. Die Hochzeit der mitunter polemisch geführten Debatten zwischen den VertreterInnen der »New Art History« aus dem Umfeld der Zeitschrift »October« – zu denen auch Joselit zu zählen ist – und denen der »Cultural Studies« oder »Media Studies« liegt mittlerweile bereits mehr als zehn Jahre zurück. Dennoch kann die vorliegende Untersuchung über die mit dem Medium Fernsehen einhergehende Monopolisierung des öffentlichen Diskurses durch private Unternehmen sowie die kritischen Reaktionen auf diesen Umstand in (Video-)Kunst und (Medien-)Aktivismus immer noch als Provokation des Fachs in den USA gelten. Dementsprechend steht am Ende des Buches ein Manifest, in dem Joselit KünstlerInnen wie KunsthistorikerInnen dazu aufruft, den angestammten Bereich der Ästhetik sowie die Kunstwelt hinter sich zu lassen und, anstatt immer wieder bloß vorzutäuschen, die Allgegenwart des Kapitals kritisch unterwandern zu können, innerhalb der zeitgenössischen umfassenden »Ökologie der Bilder« neue Öffentlichkeiten zu schaffen und festgelegte Identitäten aufzulösen.
Historische Vorläufer für eine solche Praxis, mit dem geschlossenen Kreislauf des Fernsehens zu brechen und »Feedback« – verstanden nicht als Rücklauf von Informationen an einen elektronischen Kontrollmechanismus, sondern als »Noise« bzw. Rauschen unvorhergesehener Rückkopplungen – in seine Kanäle einzuspeisen, erkennt Joselit zum Beispiel in den Manipulationen von Fernsehnetzwerken in den frühen Arbeiten von Nam June Paik, der performativen Tauschökonomie der kalifornischen »Diggers« in den 1960er Jahren, der Acid-Kultur um Timothy Leary, den Videoarbeiten von Frank Gillette und Ira Schneider, den Fernsehauftritten des Yippie-Aktivisten Abbie Hoffman oder in Melvin van Peebles’ Film »Sweet Sweetback’s Baadasssss Song« (1971) aus dem Kontext der Black-Panther-Bewegung; auch in den Arbeiten von so kanonischen Figuren der Nachkriegskunst wie Warhol, Serra, Nauman, Campus, Graham, Jonas und Acconci sieht Joselit einen vorbildhaften Medienaktivismus am Werk. Die klassische kunsthistorische Kategorie des Figur-Grund-Verhältnisses dient Joselit dabei als methodisches Leitmotiv für seinen Vorschlag eines »eco-formalism« – eine formale Analyse der postmodernen »image ecology«, die an die Stelle der Beschäftigung mit einzelnen Kunstwerken und deren individuellen UrheberInnen treten soll.
So stellt er exemplarisch heraus, dass Warhols »Exploding Plastic Inevitable«-Events mit The Velvet Underground oder Gemälde wie »TV $ 199« (1960) keine Komplizenschaft mit Konsumimperativen eingehen, sondern ein kritisches Potenzial entwickeln, das sich in dem instabilen Figur-Grund-Verhältnis zwischen dem Versprechen eines analytischen künstlerischen Inhalts und der kommerziellen Sprache der Werbung artikuliere. Ergänzt um Begriffe wie »Virus« und »Avatar«, die aus der Computersprache oder dem Hacker-Jargon entlehnt sind und Verfahren einer gleichsam parasitär involvierten Kritik bzw. das Entwerfen opportunistischer Identitäten jenseits identitätspolitischer Festschreibungen bezeichnen sollen, versucht Joselit dem Umstand Rechnung zu tragen, dass künstlerische Praktiken und die so genannte Kulturindustrie nicht in einem Verhältnis von äußerster Opposition zueinander stehen, sondern in den visuellen Regimes der Nachmoderne unabdingbar miteinander verschränkt sind. Dieser Ansatz erweist sich gerade dann als produktiv, wenn Joselit beispielsweise die formalistische Idee der Medienspezifik und deren Nachleben in aktuellen Diskussionen um Installationskunst mit der rekursiven Struktur technischer Medien kurzschließt, wie sie der Soziologie Talcott Parsons in den 1970er Jahren entwickelt hat, und damit den im »October«-Diskurs (etwa in dem beliebten Ausspielen von James Coleman gegen Jeff Wall) propagierten Gegensatz zwischen avanciertem künstlerischen Medium und angeblich strukturell kompromittierten »Media« endgültig ad acta legt. Abgesehen von Rosalind Krauss’ früher Abwertung der Videokunst ist es Benjamin Buchlohs dialektisches Modell einer fortwährend von Nivellierung und Inkorporation bedrohten kritisch-subversiven bis revolutionären Kunstpraxis, gegen das Joselit in seinem Buch explizit anschreibt. Trotz überzeugender Einzelanalysen und produktiven methodologischen Vorstößen besteht ein Manko des Buches neben dem Umstand, dass Neologismen wie »eco-formalism« eher in apodiktischen Sentenzen eingeführt denn argumentativ hergeleitet und weiter erläutert werden, allerdings genau in der ödipalen Nähe Joselits zu denjenigen kritischen Modellen, mit denen zu brechen er mit seinem zweihundertseitigen Manifest für eine neue politische Wissenschaft namens Kunstgeschichte antritt: Den laut Joselit heuchlerischen Subversionsvorstellungen, wie sie die akademische Diskussionen der Nachkriegskunst fundieren, stellt er etwa seine Lesart der Arbeiten Paiks als Teil einer »viralen Ästhetik« gegenüber, in der die jedem Informationsnetzwerk immanente Kraft der Mobilität (Stichwortgeber ist hier Virilo mit seinem Konzept des »Trajektiven«) innerhalb der kommerziellen Fernsehindustrie freigesetzt werde – worin genau die Differenz zwischen diesen Ansätzen bestehen soll, bleibt unklar. Zudem muss der Vorschlag eines neuen künstlerischen wie kunsthistorischen Aktivismus als grundsätzlich nicht minder rhetorisch aufgeladen (»Practice eco-formalism« – »Use images to build publics« – »Make an avatar!«) und von idealistischen Projektionen geleitet erscheinen als die für Joselit unter dem Druck der zeitgenössischen Bilderökologie angeblich längst obsolet gewordenen Kritikmodelle alter Schule.