Heft 4/2010 - Artscribe


»Partizipation. Politik der Gemeinschaft«

22. April 2010 bis 11. Juli 2010
Salzburger Kunstverein / Salzburg

Text: Daniel Pies


Salzburg. Jede Institution, jede Ausstellung, die sich mit partizipatorischen Strategien in der Kunst beschäftigt, muss sich mit einem basalen Widerspruch konfrontiert sehen: und zwar demjenigen zwischen dem Ausstellungsraum als Ort der symbolischen Interaktion und dem Anspruch der repräsentierten Praktiken, ebenjenen Raum des Symbolischen in Richtung auf eine – wie auch immer geartete – Realität der sozialen Interaktion hin zu überschreiten. An den Enden des Spektrums kuratorischer Möglichkeiten ergeben sich somit zwei konträre Perspektiven, um mit diesem Widerspruch umzugehen: Entweder man verlegt sich bewusst auf die Dokumentation partizipatorischer Praktiken, womit zugleich der institutionelle Raum als Ort ausschließlich symbolischer Interaktionen bejaht wäre. Oder man verweigert sich dem Modus der Repräsentation von Partizipation und verlegt sich auf die Initiierung von Projekten, die den Rahmen institutioneller Darstellungsformen durchbrechen – womit dann allerdings das Format der Ausstellung ad acta gelegt werden müsste.
Die kürzlich im Salzburger Kunstverein präsentierte Ausstellung »Partizipation. Politik der Gemeinschaft« bietet Anlass, über dieses Spannungsverhältnis nachzudenken. Anspruch der Ausstellung war es jedoch zunächst, den Begriff der Partizipation in Anlehnung an Jean Luc Nancys Text »Die herausgeforderte Gemeinschaft« einer »kritischen Hinterfragung« zu unterziehen und auf »seine Zweckmäßigkeit« zu überprüfen. Denn, so der Pressetext, die »Frage nach dem Begriff der Gemeinschaft« stelle sich auch »nach dem Zusammenbruch des Kommunismus mit ungebrochener Drastik« dar.
Von der konstatierten Drastik, dem Drängenden der Fragestellung, lässt sich die Ausstellung selbst wenig anmerken. Sie operiert im Modus einer Bestandsaufnahme, die – mit wenigen Ausnahmen – eine Auswahl bereits institutionell validierter Arbeiten aufführt, die über die letzten fünf bis zehn Jahre entstanden sind. Parallelisiert wird die Ausstellung darüber hinaus durch einen Archiv- und Rechercheraum – eingerichtet durch das rumänische Kuratorenkollektiv Vector Studio Mediation Group –, der neben einer kleinen Bibliothek zum Thema sowie einer Timeline, die die Entwicklung partizipatorischer Praktiken seit den frühen 1960er-Jahren kartografiert, auch ein Computerterminal zur Verfügung stellt, das Zugang zu einem eigens eingerichteten Diskussionsforum bietet. Trotz aller rhetorischen Bemühungen um die Einbindung und Aktivierung der AusstellungsbesucherInnen sind die Weichen jedoch insgesamt eindeutig auf Historisierung gestellt – wobei man sich des Eindrucks nicht erwehren kann, dass hier nicht der Archivraum die Ausstellung begleitet, sondern die Ausstellung unter der Hand zum Supplement des Archivs gerät.
Was die Ausstellung in dieser historisierenden Perspektive aber eröffnet, ist ein vergleichender Blick auf jüngere und jüngste Entwicklungen im Bereich partizipatorischer Strategien: von den Verfahren der kollektiven Aktualisierung historisch-politischer Ereignisse in Irina Boteas »Auditions for a Revolution« (2006) und Jeremy Dellers »Battle of Orgeave« (2001), über die recherchebasierte dokumentarische Praxis von Ruth Kaaserers »Community Garden« (2005/2008), die konfrontativen Methoden von Sharon Hayes und Ruti Sela/Maayan Amir, die die gesellschaftlichen Grenzziehungen zwischen Privatheit und Öffentlichkeit austesten, bis zu kooperativen Strategien der Kreativität wie in Christine & Irene Hohenbüchlers »socialprocesses« (2006/2010) oder Johanna Billings »Magical World« (2005). Trotz der Unterschiedlichkeit dieser Arbeiten ist ihnen allen gemeinsam, dass sie den eingangs angezeigten Widerspruch zwischen der Überschreitung des symbolischen Raums der Kunst durch die Praxis des Partizipativen und ihrer rückwirkenden Einhegung durch die Institution bereits antizipieren und im Begriff des Werkes aufheben. Das gilt sowohl für räumlich-materiellen Display-Strukturen von partizipatorischen Dokumenten, wie sie etwa die Hohenbüchlers einsetzen, als auch für die zeitlich-medialen Konfigurationen von dokumentarischen Bildern innerhalb des in der Austellung nicht ohne Grund vorherrschenden Mediums Video. Über die Technik der Montage werden die Artefakte sozialer Interaktion organisiert und damit einer symbolischen Transformation unterzogen. Die partizipatorischen Aspekte der jeweiligen künstlerischen Praktiken werden so zum semantischen Material, das in der geschlossenen Form des Werks eine symbolische Gestalt findet.
Severin Weisers »Panic Proof/Krisenfest« – die einzige für diese Ausstellung neu entstandene Arbeit – muss vor diesem Hintergrund zunächst wie eine zynische Grablegung partizipatorischer Praxis und ihrer Ideale erscheinen. Weiser mauert einen Goldbarren in eine der Wände des Ausstellungsraums ein und fordert die BesucherInnen auf, sich mit Hammer und Meißel auf die Suche zu machen. Hier wird die Idee der Teilhabe – auch im allgemeineren politischen Sinne – auf eine ihrer allgegenwärtigen Simulationen reduziert, nämlich den streng reglementierten und reglementierenden Handlungsrahmen einer Gameshow. Partizipation heißt in diesem Fall lediglich noch, die Idee des ökonomischen Konkurrenzkampfes stellvertretend zu verwirklichen, indem die »KandidatInnen« als RepräsentantInnen einer kapitalistischen Wirtschaftsordnung ihren individuellen Profit im kontrollierten Spiel zu maximieren suchen. Steht man als BesucherIn der Ausstellung jedoch vor den physischen Spuren der durch Weiser investigierten »Öffnungen« und blickt auf das freigelegte Mauerwerk, drängt sich noch eine ganz andere Lesart der Arbeit auf: Sie erscheint dann als Appell an die Praxis der Partizipation – wie auch an die Ausstellung selbst –, sich nicht mit der Stillstellung des Widerspruchs zwischen Kunst als Ort symbolischer Handlungen und ihrem Anspruch auf deren Überschreitung zufriedenzugeben.