Heft 4/2018 - Netzteil


Mit toten Maschinen geschaffene Kunst

Die Mährische Galerie in Brno zeigte frühe Computerkunst

Andrea Uváčiková


Die Ausstellung 1968:computer.art, die von April bis August in der Mährischen Galerie in Brno zu sehen war, stellt einen wichtigen Beitrag zur Geschichte der Computerkunst dar. Die von Ondřej Chrobák, Pavel Kappel und Jana Písaříková kuratierte Schau füllt eine Lücke in der Präsentation und Reflexion dieser Kunstsparte, deren Anfänge in den 1960er-Jahren liegen. Diese waren eng mit dem wissenschaftlichen Umfeld verknüpft, weshalb es auch nicht verwundert, dass die ersten Computergrafiken von WissenschaftlerInnen und nicht von KünstlerInnen geschaffen wurden. (Die erste Ausstellung von Computerkunst der Theoretiker fand 1965 in Stuttgart statt, ausgerichtet vom Theoretiker der generativen Ästhetik, Max Bense.)
Anlass der Ausstellung bildete der 50. Jahrestag von Jiří Valochs Projekt Computer Graphic, das dieser im Februar 1968 im Haus der Kunst in Brno realisiert hatte, also nur drei Jahre nach Benses Stuttgarter Ausstellung. Der damals 21-jährige Student Jiří Valoch stellte eine Ausstellung von Computergrafiken auf die Beine, welche die Erste ihrer Art im Ostblock und die insgesamt Fünfte auf der ganzen Welt war. Ziel war laut Valoch, „der Öffentlichkeit die Angst vor der Kunst zu nehmen, die mit toten Maschinen geschaffen wird“. Kurze Zeit später, im August 1968, war in London unter dem Titel Cybernetic Serendipity eine vergleichbare Ausstellung zu sehen, die bis heute als Pionierschau der Neuen Medienkunst angesehen wird und damals als weltweit Erste ihrer Art präsentiert wurde.
1968:computer.art ist in zwei Teilen konzipiert, die symbolisch die rechte und die linke Gehirnhälfte darstellen sollen. Der erste Teil betrifft die Grafik, es geht dabei um Computer Graphic im Sinne einer Produktion, deren Erzeuger der Computer ist. Auch im Hinblick auf das Output handelt es sich häufig um originale Grafikblätter. Die „rechte Gehirnhälfte“ repräsentiert das Vermächtnis von Jiří Valochs Ausstellung aus dem Jahr 1968, jedoch tauchen darin nicht nur KünstlerInnen auf, die in der ursprünglichen Schau vertreten waren, vielmehr soll ihr Werk in den breiteren zeitlichen Kontext der kulturgesellschaftlichen Ereignisse gesetzt werden. Teil der Schau ist es zudem, Korrespondenzen zwischen Valoch und den weiteren ausgestellten KünstlerInnen wie beispielsweise Frieder Nake oder Georg Nees aufzuzeigen. Aus dem tschechischen Umfeld ist dabei nur ein einziger Künstler vertreten, und zwar Lubomír Sochor, der in einem rein wissenschaftlichen, außerkünstlerischen Umfeld angesiedelt war.
Die im Geiste von Max Bense aufgeworfene Frage, ob eine Maschine eine neue Ästhetik generieren kann, die mit jener des Menschen vergleichbar oder vielleicht sogar „besser“ als diese ist, scheint für diesen Teil der Ausstellung grundlegend zu sein. In der heutigen Zeit, in der die Maschinen immer perfekter werden, gewinnt dieses Thema zusätzlich an Aktualität. Positiv ist auch die – unklar ob beabsichtigte – Ambition der Schau, im tschechischen Kontext eine Diskussion über das Wesen der Computerkunst und -grafik neu anzustoßen. Ähnliche Fragen aus dem Jahr 1968 wurden damals angesichts der politischen Ereignisse in der Tschechoslowakei abgewürgt, noch bevor sie gestellt werden konnten. Die unübliche Eröffnung der Ausstellung mit einer in den Räumlichkeiten des Café Praha/Forum für Architektur und Medien abgehaltenen Fachdiskussion kann im gegebenen Zusammenhang als Fortsetzung der damals unterbrochenen Diskussion verstanden werden. Auch die Computergrafik musste sich anfänglich mit Kritik auseinandersetzen und ähnlich wie seinerzeit die Fotografie ihren Platz im Bereich der Kunst erst behaupten. Schließlich geht es dabei gemäß Vilém Flussers Terminologie auch um eine Art von Technobild. Jedoch rührten die durch die Ausstellung entfachten Kontroversen hauptsächlich daher, dass es sich in den Worten der Kuratorin Jana Pisaříková um „Kunst handelte, die das anthropologische Konzept des künstlerischen Schaffens als ausschließlich menschliche Fähigkeit untergrub“.

Der Computer als Werkzeug
Der zweite Teil der Ausstellung, die „linke Gehirnhälfte“, beschäftigt sich mit Malerei. Der Kurator Ondřej Chrobák sieht es als eine der wesentlichen Aufgaben, „das scheinbar nicht allzu originelle Thema zu präsentieren, das da lautet: Welche Rolle hat der Computer in Zdeněk Sýkoras Werk gespielt?“ Es ist sympathisch, dass hier der Versuch unternommen wird, Sýkora vom Etikett des „Computerkünstlers“ zu befreien und stattdessen die Rolle zu klären, die der Computer in seinem Werk gespielt hat, zumal sich der Künstler in der Vergangenheit selbst mehrfach von der Einordnung in diese Kategorie abgegrenzt hat. Es ist jedoch fraglich, inwieweit dies der breiten Öffentlichkeit bekannt ist. Zumindest wird er in einigen Schulen auch weiterhin unter diesem Etikett präsentiert – eine vereinfachende Darstellung, die seine Schaffensprinzipien nicht treffend wiedergibt. Die didaktische Dimension der Ausstellung sollte somit als wichtiges Element betrachtet werden.
Sýkora selbst hat in einer Randbemerkung über den Computer Folgendes gesagt: „Der Computer kann das Denken dadurch beeinflussen, dass er es logischer und präziser macht.“ In Zusammenarbeit mit dem Programmierer Jaroslav Blažek fing er an, ihn als Maschine zu nutzen, um Berechnungen durchzuführen, also zur Objektivierung eines Prozesses. Die Ausstellung zeigt jedoch auf, dass Sýkoras Ziele in erster Linie die Malerei betrafen. Ihm zufolge half ihm der Computer dabei, Konventionen der Malerei zu überschreiten, indem er anhand von Berechnungen konzeptuell Bilder schuf, zu deren Produktion er ansonsten, bei einem spontanen Schaffensprozess, nicht fähig gewesen wäre. Jiří Valoch beschreibt den Computer im Kontext von Sýkoras Werk als „tote Maschine“.
Ein Exponat ist einer von drei Rechnern, die damals in der Tschechoslowakei zur Verfügung standen und mit dem Blažek die Berechnungen zu Sýkoras Kompositionen durchführte. Dabei handelt es sich um die aus Deutschland stammende Rechenanlage LGP-30, die vom Nationalen Technikmuseum als Leihgabe zur Verfügung gestellt wurde. Dieses monumentale Artefakt trägt dazu bei, den BetrachterInnen eine Vorstellung der damaligen Computertechnologie zu vermitteln.
Beide Teile der Ausstellung wirken trotz ihrer unterschiedlichen Ansätze kohärent und kommunizieren miteinander. Insgesamt ist die Schau zweifellos ein qualitativ hochwertiger und bisher fehlender Bestandteil im Kontext der Kunstgeschichte sowie ein wesentlicher Beitrag zu Geschichte eines Teilbereichs der freien Grafik, nämlich der Computergrafik. Nicht zuletzt vollendet der Katalog vom Grafikbüro Kolektiv Studio das komplexe Bild der Ausstellung, indem er ihr gesamtes Konzept auf übersichtliche und grafisch originelle Art widerspiegelt.

Übersetzung aus dem Tschechischen: Bernd Magar

1968:computer.art, Mährische Galerie Brno, 20. April bis 5. August 2018.