Heft 2/2019 - Artscribe


Heinz Frank – Der Winkel des Endes kommt immer von hinten

20. Februar 2019 bis 12. Mai 2019
Kunsthalle Wien / Karlsplatz

Text: Christian Egger


Wien. Die Ausstellung Der Winkel des Endes kommt immer von hinten versammelt überblicksartig Werke, die der als Elektrotechniker und Architekt ausgebildete „Künstler“ Heinz Frank in Wien seit den 1960er-Jahren fand, entwarf, adaptierte und zum Teil fortwährend überarbeitete. Sein Denken und die in den Arbeiten begründeten Ansichten sind bemerkenswert und von mythischer Idiosynkrasie und die in der Ausstellung gezeigten Dinge, Bilder, Paravents, Ensembles und Mobiles deuten dabei auf ein Klima der Potenzialität, in dem der Status von Begriffen und Unterscheidungen wie Kunst, Nichtkunst oder Antikunst sowohl bestätigt als auch aufgehoben wird. Heinz Franks Praxis scheint sich an existenziellen Fragen jedweder Kunstproduktion aufzuladen, deren transzendente Möglichkeiten der Soziologe Niklas Luhmann mithin abstritt: „ein Versuch, an die Grenze zu gehen, um das Ausgeschlossene einzuschließen […]“.
An Versuchen dieser Art fehlt es nicht. Man provoziert zum Beispiel das Publikum, indem man es extrem unwahrscheinlich werden lässt, dass Kunst als Kunst bemerkt wird. Man schnitzt ein Zeichen in eine Bank im Park in der Erwartung (Hoffnung?), dass niemand bemerken wird, dass dies Kunst ist, dass aber gegebenenfalls vor Gericht der Beweis trotzdem geführt werden kann.“1 In Franks Fall könnten solche Zeichen jene kleinen, oft titelgebenden Notizzettel sein, die beiläufig den eben gleichnamigen Arbeiten wie „SEINER SELBST, MIR IST DU IN MEINER ‚DES‘. MEIDE DIESES, MÜHET JENES, 1985“ beiliegen und wie provisorisch als Platzhalter für die eigentliche, institutionelle Werkangabe wirken, die nie kommt. Im Gegenteil: Oft sind diese poetischen Kürzel Ausgangspunkt und Ursprung der Arbeiten überhaupt. Diese Fragilität im Detail, Umkehr von Ausgang und Fertigstellung, solche prozesshaften Konstruktionen, die allen Arbeiten eigen ist, zeugen von über die Jahrzehnte entwickelten und den Arbeiten den konzeptuellen Hintergrund liefernden Maximen wie „Gefühltes denken und Gedachtes fühlen“ und halten mitunter die Werke in einer inneren Spannung, die nie um Dehnungen, Widersprüche und Wendungen innerhalb der eigenen formalen Beschaffenheiten verlegen ist. So als wären sie erst in einer Phase ihrer Werkwerdung, trügen mindestens einen doppelten Boden oder gar ein Loch zum eigenen Abfließen in und mit sich. Diese in den Arbeiten stets mit eingebauten Zweifeln, das Zulassen und Herausstreichen dieser, sind auch überhaupt nicht das Problem von Der Winkel des Endes kommt immer von hinten. Sichtbare Widrigkeiten ergeben sich jedoch in der Präsentation innerhalb eines schnell getakteten Ausstellungsgeschehens, die eine konzentrierte Wahrnehmung desselben und Differenzierungen kaum erlaubt und in der die Figur des Heinz Franks in regelmäßiger Wiederkehr als stets gleiches Original „entdeckt“, aber nicht extra herausgefordert wirkt. Das Erscheinen und damit auch die Rezeption der Arbeiten verliert zudem in dem von Adolf Krischanitz entworfenen gläsernen Raum am Karlsplatz, und die diesen „bezwingende“ Anordnung von Paravents entlang der langen Glasfassade limitiert diesen eher, wobei auch die Anzahl der kuratorisch versprochenen, möglichen Betrachtungen von außen in die Ausstellung nicht überliefert ist. Erfordert üblicherweise die Anordnung der Arbeiten im Ausstellungsraum ein bestimmtes Verhalten gegenüber den präsentierten Werken und kann die/der BetrachterIn dabei entweder auf Distanz gehalten oder auch Teil der Ausstellung werden, ist dies hier trotz der von Frank ausgegangenen menschlichen Proportionen zum Raum schwerlich spürbar. Womit sich leider ein Verdacht aufdrängt, der durch Videoporträts des Künstlers im Internet genährt wird2, nämlich dass in den vom Künstler selbst genützten Wohn- bzw. Studioräumen Fülle, Platzierung und Atmosphäre der Arbeiten wesentlich stringenter, vieldeutiger und zugleich direkter zur Geltung kommen als in der am Karlsplatz anzutreffenden Ausstellungssituation. Nicht dass hier eine Imitation der verfliesten Studiowände oder eine partielle Abdunkelung eine umfassendere Betrachtung garantiert hätte, aber eine andere kuratorische Setzung, ein Versuch der Kontextualisierung über das „Eigenepigonentum“3 Franks hinaus oder doch ein räumlicher Schutz für die Besonderheit seiner feinen Position gegenüber der frontalen Verkehrssituation, der seitlichen Gartensimulation und des Gastrohochbetriebs im Rücken. Ein anderer, womöglich versetzter Winkel in der Präsentation hätte dieses Unternehmen vermutlich gestärkt.

 

 

1 Niklas Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1995, S. 457.
2 www.youtube.com/watch?v=1Fd8LEu8fYM, www.youtube.com/watch?v=RddAZ3f_R5k
3 Georg Schöllhammer (Hg.), Heinz Frank. Der Eigen-Epigone. Wien: Sonderzahl Verlag 2018.