Heft 1/1999 - Lektüre



Marius Babias, Achim Könneke (Hg.):

Die Kunst des Öffentlichen

Ideen, Projekte, Stadtplanung

Amsterdam (Verlag der Kunst) 1998 , S. 79

Text: Hans-Christian Dany


Anlaß der grün eingebundenen Textsammlung ist die von der Stadt Hamburg initiierte Maßnahme »weitergehen« - ein »ehrgeiziges« Projekt, mit dem die Behörde an eine in den achtziger Jahren zu überregionalem Ansehen gekommene Kunst-am-Bau-Tradition anknüpfen wollte. Auf internationalem Niveau sollten die Menschen in der Stadt mit topaktueller Kunst konfrontiert werden. Der Kniff des Projektes lag darin, die bildenden KünstlerInnen mit einem Dienstgrad des Theaters, dem einer Intendantin/ eines Intendanten, auszustatten. Ob der metaphorische Kniff aufging, bleibt an dieser Stelle offen. Sichtbar wurde jedenfalls wenig. Und das ist gut so. Wer will schon, daß der öffentliche Raum noch weiter verstopft wird? Weshalb mir zumindest ein Buch, das wohl Überbau sein soll, statt etwas sich am Bau breitmachendes, wesentlich lieber ist. Die Verschiebung zur Handlichkeit eines Buches, das bei Überdruß einfach zum Altpapier wandert, statt weiter in der Gegend herumzustehen, ist fraglos gut.

Vorher hatten die Leute vom Amt mit »weitergehen« Erfahrungen gemacht. Ihre Münder formten eine Weile mit der Zuversicht eines Sprechautomaten das Wort »parkfiction«. Solche Formen sozialer Intervention zumindest offiziell zu unterstützen schien ihnen chic und machte Presse. Wofür man sich am Behördenschreibtisch wirklich engagierte, wollte auch niemand so genau wissen.

Nun ist so ein modernes Image verderbliche Ware. Also brainstormte man nach einer Weile wieder mit den BeraterInnen in der Behörde über die Zukunft von »weitergehen«, das im Jahr 2000 stattfinden soll. Und da geht man dann »noch weiter«, wie es der zuständige Senatsdirektor formuliert. Damit das Publikum diesem Weg in die Zukunft folgen kann, baut man ihm eine Brücke, eben das Buch.

Im Vorwort sagen die Herausgeber »leise Servus«, zu diesem und jenem, »um der Realpolitik der im Kunstumfeld neu entstandenen Teilöffentlichkeiten Perspektiven zu eröffnen«. Glücklicherweise bleibt dabei weltgewandt das Regionale auf der Strecke.

Bei dem das Buch eröffenden »Abschied« besticht besonders Stella Rolligs distanziert drüber huschender Kehraus, der alles, was ihr an Vergangenheit unter die Tasten kommt, in einen muffigen Setzkasten haut. Im Anschluß stellen uns SpezialistInnen eine handvoll Teilöffentlichkeiten vor. Die Suche gestaltet sich dabei nicht immer einfach und muß des öfteren Umwege einschlagen. Und manchmal hat sich eine Öffentlichkeit auch schon wieder dünn gemacht. Martin Pesch rekonstruiert dies anhand von Techno, einer Musik, die immer seltener Öffentlichkeit herstellt und deren Plattenproduktionen seit einigen Jahren sogar darauf abzielen, im Privaten gehört zu werden. Mercedes Bunz sieht dies in ihren von Pierre Bourdieu geprägten Überlegungen zur Größe von Clubs, den daraus entstehenden Arbeitsverhältnissen und darin hergestellten Öffentlichkeiten wesentlich optimistischer.

Der längste Text, John Millers »Heil Hitler! Have a nice day«, verfolgt die Spuren der rechts außen angesiedelten Öffentlichkeiten in den USA zurück zu den Clan-Strukturen um Charles Manson. Einen Moment fragt man sich, ob die Spezialisierung da nicht doch ein bißchen zu weit geht, aber vielleicht machen entfernte Teilöffentlichkeiten die Sache anschaulicher.

Pit Schultz referiert die Entwicklung einer kritischen Medienpraxis am Rande des Kunstfeldes seit einer Verabschiedung des Begriffes der Gegenöffentlichkeit. An diesem Punkt markiert er den Beginn einer Fokussierung, auch des politisierten Teils der Netzgemeinde, auf die Wahrung der Privatsphäre. In Fragestellungen wie Clipper Chip und Kryptografie erkennt er das Wiedererstarken eines bürgerlichen Bedürfnisses nach dem geschützten Raum, hinter dem die auf neue Begriffe von Gemeinschaft zielenden Utopien, die sich an die Netze knüpften, verschwinden. Als Konstrast zu diesen vielschichtigen Überlegungen, gibt es ein Gespräch zwischen dem Künstlerpaar Dellbrügge/DeMoll und dem Basic-begeisterten Literaturprofessor Friedrich Kittler irgendwo im medientheoretischen Abseits.

Kunst als Mimikry für die kapitalstarke Intervention in die Stadtentwicklung und die Aufwertung der dort vorhandenen Immobilien läßt sich die Hamburger Behörde von Marius Babias lieber anhand von Berlin erklären.

Was der Band ausblendet - nur der Beitrag von Axel John Wieder und Jesko Fetzer deutet dies an -, ist, daß sich der sich konstituierende Sicherheitsstaat seit Jahren intensiver mit einer Aufsplitterung von Öffentlichkeit und dem Zurückdrängen des Lebens ins Private befaßt. Für die sich neu konstituierenden Kontrollinstanzen ist eine Analyse und Vermessung der Teilöffentlichkeiten notwendig geworden, um deren Verwahrung weiterhin koordinieren zu können. Die Partikularisierung von Öffentlichkeit erhöht die Komplexität des Wissens, das zu deren Kontrolle notwendig ist.

Wie sich dies im kulturpolitischen Feld niederschlägt oder spiegelt, wäre eine interessante Fragestellung gewesen. Aber dafür hätte die Politik der Hamburger Kulturbehörde einem kritischen Blick unterworfen werden müssen. Und diese Perspektive der Institutionskritik, erklärten der Behördenvertreter Könneke und sein Berater Babias schon im Vorwort, ist ja nicht mehr - oder höchstens in der Lightversion - en vogue. Während die Institution sich in eine Blackbox verwandelt, irrlichtern Scheinwerfer auf der Suche nach den Partikeln des Realen durch die Stadt.